Pressemitteilung vom 11. Februar 2016
PM SSB 2016-02-11 (107.9 KiB)
Der Sport ist bereit, auf die Straße zu gehen
Hochemotionale Mitgliederversammlung mit klarem Votum
Die Bonner Sportvereine stehen bereit, mit einer machtvollen Demonstration gegen die Belegung weiterer Sporthallen mit Flüchtlingen zu protestieren. Nahezu einstimmig erteilten die Vereinsvertreter dem Vorstand des Stadtsportbundes Bonn (SSB) auf der gestrigen Außerordentlichen Mitgliederversammlung den Auftrag, die Vorbereitungen für eine möglichst zeitnahe Demonstration einzuleiten, sofern die Stadtverwaltung nicht innerhalb einer Woche glaubhaft und nachvollziehbar zusichert, auf die Belegung weiterer Sporthallen verzichten zu wollen. Der Protest richtet sich dabei nicht nur gegen die weitere Einschränkung des Trainings- und Wettkampfsports und die damit verbundene Existenzgefährdung der Bonner Vereine, sondern auch gegen den drohenden Wegfall des Bonner Schulsports. Zugleich wollen die Sportler deutlich machen, dass Sporthallen ihrer Meinung nach die Kriterien für eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge, die auch ein Recht auf eine gewisse Privatsphäre haben, nicht erfüllen.
Es war eine hochemotionale, aber weitgehend sachliche Diskussion in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Clubraum des Bonner THV. Über 170 Personen aus 74 Vereinen saßen und standen dicht gedrängt. Der WDR war live dabei, Zeitungs-, Radio- und erstmals auch Online-Journalisten berichteten. Sie und alle SSB-Vertreter bekamen dabei eine Vorstellung vermittelt, mit welchen Schwierigkeiten die Stadt bei der kommunalen Zwangsaufgabe der Flüchtlingsunterbringung zu kämpfen hat – und durch welch hanebüchene Vorschriften ihr Handeln bestimmt wird. Man kannte bei den Vereinen bereits die Tatsache, dass das Aufstellen von Wohncontainern auf einem freien Bonner Grundstück ein fehlendes Artenschutzgutachten verhindert, aber wer wusste schon, dass die Anmietung von privatem Wohnraum oft an fehlenden Kindersicherungen an den Steckdosen in Bodennähe, unzulässiger Deckenhöhen oder fehlenden FI-Schaltern scheitert? Diese Aussage führte zu großem Unmut bei den Vereinsvertretern, sind wahrscheinlich doch in vielen hunderttausend Häusern in Deutschland noch keine FI-Schalter eingebaut. Die Aussage des Stadtvertreters („wenn etwas passiert, stehe ich mit einem Bein im Knast“) machte allerdings auch betroffen und wütend.
Das galt aber ebenso für das Eingeständnis des Städtischen Gebäudemanagements (SGB), dass sich gerade einmal vier Mitarbeiter um die Besichtigung und Bewertung zur Unterbringung angebotener Immobilien kümmerten. Und besonders für das „Nein“ als ehrliche Antwort auf die konkrete Frage, ob sich das SGB angesichts der Vorschriften des Vergabewesens und der Personalsituation überhaupt in der Lage sehe, die Situation zu bewältigen.
Wie aber soll die Situation entschärft werden, wenn sich die städtischen Vertreter selbst überfordert sehen, die Lage in den Griff zu bekommen? Wie müssen der Stadtsportbund und seine Vereine die Wahrheitskraft städtischer Aussagen einschätzen, wenn die Stadt zwar versichert, alle nur möglichen Kräfte einzusetzen, um alternative Wohnmöglichkeiten zu prüfen, aber die vier Mitarbeiter jetzt schon völlig überfordert sind? Was nützt die Bitte des SGB an die Vereine, weiterhin freien Wohnraum zu melden, wenn diese Meldungen aus personellen Gründen nicht verfolgt werden können? Warum gibt es von der Stadt keine Nachfrage nach freien Hotelzimmern, wo doch schon eine Kurzumfrage des Stadtsportbundes in Bonner Hotels freie Kapazitäten nachweist? Fragen über Fragen, aber keine konkreten Antworten. Viele in der Versammlung ließ das den Kopf schütteln.
Immerhin, der in Bonn für Flüchtlingsfragen kommissarisch zuständige Kultur- und Sportdezernent Martin Schumacher versprach noch einmal verstärkte Anstrengungen, kurzfristig Lösungen zu finden, um keine weiteren Hallen belegen zu müssen. Und er kündigte die Einsetzung eines Runden Tisches an, an der Bauträger und, so zumindest die geäußerte Erwartung der Vereinsvertreter, Makler und gewerbliche Vermieter sowie ein Vertreter des Stadtsportbundes sitzen sollen. Zudem versprach er eine intensivere Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit – eine von der Versammlung eindringlich erhobene Forderung.
Für die Vereine war dies ein Anfang, mehr aber auch nicht. „Wir zweifeln nicht am guten Willen, aber in dieser Krise müssen Stadt und Politik noch enger und ohne kleinliche Streitereien zusammenarbeiten. Es muss Geld in die Hand genommen und müssen Mindeststandards gesenkt werden. Der Sport mit seinen vielfältigen Ressourcen ist zur Mithilfe bereit, ist aber nicht willens, die gesamte Unterbringungsproblematik auf seinem Rücken austragen zu lassen“, so die klare Ansage der Versammlungsteilnehmer.
SSB-Vorsitzender Michael Scharf nahm nach über dreistündiger Diskussion eine klare Botschaft mit: „Die Vereine haben deutlich gemacht, dass sie in dieser Flüchtlingskrise mit den Anstrengungen von Politik und Verwaltung nicht zufrieden sind. Und, sofern sich in Bonn nichts bewegt, haben sie dem Vorstand das Mandat übertragen, gegen die weitere Belegung von Sporthallen eine Demonstration auszurichten. Wir werden das und wir können das. Das haben wir schon einmal gezeigt!“
Immerhin konnte er bereits einen kleinen Fortschritt verkünden. Wie ihm Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan kurz vor der Sitzung in einem Telefonat mitgeteilt hatte, habe die Ratskoalition kurzfristig beschlossen, eine Dringlichkeitsentscheidung zum Kauf von Wohncontainern im Wert von 3,5 Millionen Euro mitzutragen.